Roland Pichler
Haus des Familienunternehmens
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auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Karoline Otte, Katharina Beck, Sascha Müller, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN GRÜNEN– Drucksache 21/1630 –
Die Konzentration von Vermögen in Deutschland ist und bleibt im internationalen Vergleich sehr hoch. Im Euroraum ist Deutschland hinter Österreich das Land mit der zweithöchsten Vermögensungleichheit (https://publikationen.bundesbank.de). Würden besonders hohe Vermögen, die in regulären Befragungen zur Vermögensverteilung, wie beispielsweise bei den Vermögensbefragungen der Bundesbank oder dem Sozioökonomischen Panel des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), regulär unterrepräsentiert sind, miteinbezogen, wäre die Vermögensungleichheit laut Studienlage wohl noch höher (www.diw.de). Demnach besitzt das reichste 1 Prozent unserer Gesellschaft rund 35 Prozent der Vermögen und das reichste 0,1 Prozent rund 20 Prozent der Vermögen – während die ärmsten 50 Prozent nur rund 2 Prozent besitzen.
Aktuelle Analysen zeigen, dass durchschnittliche Familienhaushalte in Deutschland auf ihr gesamtes Arbeitseinkommen Steuern und Abgaben von bis zu 43 Prozent entrichten, während Milliardärsfamilien auf ihr umfassendes Gesamteinkommen — einschließlich Unternehmensgewinnen — oft weniger als 26 Prozent zahlen und durch Unternehmens- und Kapitaleinkünfte steuerlich privilegiert sind (www.netzwerk-steuergerechtigkeit.de). Ursache dafür ist ein regressiv wirkendes Steuersystem mit zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten für sehr große Vermögen und Einkommen, verschiedenen Privilegien für Kapitaleinkünfte und Unternehmen, steuerfreie Immobilienverkäufe nach Haltefristen, das Fehlen einer Vermögensteuer und eine durchlöcherte Erbschaftsteuer.
Die Steuerpolitik der aktuellen Bundesregierung bekämpft diese Entwicklung nach Ansicht der Fragestellerinnen und Fragesteller nicht, sondern verstärkt sie sogar noch. Laut Expertinnen und Experten in der öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD „Entwurf eines Gesetzes für ein steuerliches Investitionssofortprogramm zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland“ (Bundestagsdrucksache 21/323) gehen schätzungsweise 69 Prozent der Entlastungen durch dieses Gesetz an die obersten 1 Prozent der Bevölkerung und in Bezug auf die beschlossene Körperschaftsteuersenkung sogar 72 Prozent (www.bundestag.de).
Obwohl 73 Prozent der deutschen Bevölkerung laut Umfragen die Besteuerung großer Vermögen befürworten (https://de.statista.com), tragen Steuern auf Vermögen und Erbschaften nur ca. 1 Prozent zum Steueraufkommen in Deutschland bei (www.netzwerk-steuergerechtigkeit.de/wp-content/uploads/2024/05/240425_Jahrbuch2024.pdf).
In diesem Kontext ist nach Ansicht der Fragestellerinnen und Fragesteller insbesondere auch die Lobbytätigkeit von Organisationen wie beispielsweise der Stiftung Familienunternehmen kritisch zu betrachten. Die Stiftung Familienunternehmen hat laut Presseberichten im Rahmen der Erbschaftsteuerreform 2016 eine zentrale Rolle als einflussreiche Interessenvertretung großer Unternehmens- und Vermögensgruppen gespielt. Durch intensive Lobbyarbeit – etwa in Form von Stellungnahmen, direkten Kontakten zu Regierungs- und Parlamentsmitgliedern sowie durch öffentliche Kampagnen – setzte sich die Stiftung gezielt für umfangreiche Ausnahmen und steuerliche Privilegien für Betriebsvermögen und Familienunternehmen ein. Diese Interventionen trugen laut einigen Kommentaren maßgeblich dazu bei, dass die Erbschaftsteuerreform in wesentlichen Teilen zugunsten sehr großer Vermögen ausgestaltet wurde (vgl. u. a. www.sueddeutsche.de). Zahlreiche Expertinnen und Experten und zivilgesellschaftliche Organisationen kritisieren, dass die so geschaffenen Regelungen zentrale Prinzipien der Steuergerechtigkeit unterlaufen und zur weiteren Verstärkung von Vermögenskonzentration und Ungleichheit in Deutschland beitragen (www.finanzwende.de).
Die starke Konzentration von sehr hohen Vermögen ist auch in Bezug auf die Bekämpfung der Klimakrise problematisch. Milliardärinnen und Milliardäre sind für deutlich überproportionale Treibhausgasemissionen verantwortlich (etwa durch Privatjets, Yachten, Konsum) und tragen dadurch erheblich zur Klimakrise und ihren Folgen bei. Die Kosten sowohl für Klimaschutz als auch für die Folgen der Klimakrise werden allerdings nicht in gleichem Maße von diesen Gruppen getragen. Auch hier gibt es Forderungen nach einer Besteuerung von hohen Vermögen, um diese gerechter an der Finanzierung von Klimaschutz und den Schäden von Klimawandelfolgen zu beteiligen (www.oxfam.de).
Auch auf internationaler Ebene ist die Konzentration von Vermögen und ihre Ungleichheit Anlass für Initiativen wie zuletzt durch die Regierungen von Spanien, Brasilien und Südafrika, die sich im Rahmen der diesjährigen „Finance for Development“-Konferenz in Sevilla erneut für eine global koordinierte Mindestbesteuerung von Hochvermögenden über die UN und die G20 einsetzten (https://news.un.org). Vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung laut dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) diese Bemühungen unterstützt und sich „für eine gerechte und effektive Besteuerung von sog. Superreichen“ einsetzt (vgl. Antwort zu Frage 7 auf Bundestagsdrucksache 21/848), scheint auch die höhere Besteuerung von Vermögen auf nationaler Ebene auf diesem Weg geboten.
1. Wie hoch ist das gesamte Nettovermögen privater Haushalte in Deutschland laut aktuellster Datengrundlage der Bundesregierung, wie verteilt sich das Nettovermögen der privaten Haushalte auf die verschiedenen Vermögensdezile nach Kenntnissen der Bundesregierung, und wie hat sich dieses seit 2010 entwickelt?
2. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Entwicklung der Vermögensungleichheit in Deutschland seit 2010?
3. Wie beurteilt sie die aktuelle Vermögensungleichheit Deutschlands im internationalen Vergleich?
4. In welcher Form und mit welchen Indikatoren will die Bundesregierung künftig die Entwicklung der Vermögensungleichheit messen und in offiziellen Berichten veröffentlichen, insbesondere auch im Hinblick darauf, die Datengrundlage über sehr hohe Vermögen zu verbessern, um ein realistischeres Bild der Vermögensverteilung zu bekommen?
Die Fragen 1 bis 4 werden gemeinsam beantwortet.
Das Vermögen der privaten Haushalte in Deutschland ist in den vergangenen Jahren angestiegen. Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen des Statistischen Bundesamtes weist für Deutschland zum Jahresende 2023 ein privates Reinvermögen in Höhe von 20,4 Billionen Euro aus. Dies ist die Summe aller Sach-, Geld- und Gebrauchsvermögen abzüglich Verbindlichkeiten im Eigentum von privaten Haushalten und Organisationen ohne Erwerbszweck.
Informationen über die Verteilung dieser Vermögen können in Deutschland mangels Register- oder Verwaltungsdaten nur aus Befragungen von Stichproben der Bevölkerung gewonnen werden, die mehr oder weniger großen Stichprobenschwankungen unterliegen und auch die extremen Ränder der Verteilung nicht repräsentativ abbilden können. Im Rahmen der Ressortforschung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales werden immer wieder vielfältige Studien und Gutachten angestoßen, die zu einer Verbesserung der Erkenntnis- und Datenlage geführt haben. So wurde z. B. für den 6. Armuts- und Reichtumsbericht eine Zusatzstichprobe von hochvermögenden Haushalten zur Integration in das Soziooekonomische Panel (SOEP) finanziert, die die Erfassungslücke am oberen Rand der Vermögensverteilung zu einem Teil schließen konnte.
Aktuell verfügbar sind Daten zur Vermögensverteilung aus der fünften Welle der Studie „Private Haushalte und ihre Finanzen“ der Bundesbank aus dem Jahr 2023. Die Studie zeigt, dass das Privatvermögen insgesamt sehr ungleich verteilt ist, diese Ungleichheit sich seit 2010/2011 aber leicht reduziert hat. So ist der Anteil der vermögendsten zehn Prozent am Nettovermögen in diesem Zeitraum von 59 Prozent auf 54 Prozent gesunken, während der Anteil der unteren Hälfte konstant bei rund drei Prozent lag. Der Rückgang der Ungleichheit zeigt sich auch bei anderen Verteilungsmaßen. So sank der Gini-Koeffizient von 0,76 im Jahr 2010/2011 auf zuletzt 0,72. Auch das Verhältnis von Mittelwert zu Median reduzierte sich in diesem Zeitraum von 3,8 auf den Faktor 3,1.
Im Übrigen wird auf die Armuts- und Reichtumsberichterstattung der Bundesregierung verwiesen.
5. Welchen Einfluss haben steigende Immobilienpreise auf die Vermögensverteilung nach Einkommensgruppen seit 2010?
Immobilien sind ein wesentlicher Bestandteil der Vermögenszusammensetzung in Deutschland. Die Phase tendenziell eher rückläufiger Immobilienwerte zu Beginn der 2000er-Jahre wurde von 2010 bis 2022 durch deutliche Anstiege der Immobilienpreise abgelöst. Insbesondere in urbanen Ballungsräumen sind diese stark gestiegen, wohingegen sie in dünn besiedelten ländlichen Regionen teils stagnierten oder sanken. Dies spiegelt sich im Vermögenszuwachs von Immobilieneigentümern, insbesondere von Haushalten mit relativ hohen Einkommen, wider.
6. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung bezüglich der Entwicklung der effektiven Steuer- und Abgabenquoten für durchschnittliche Familienhaushalte und Milliardärsfamilien in Deutschland im Zeitraum von 1995 bis 2025, insbesondere bezüglich direkter und indirekter Steuern, und wenn sie über keine Kenntnisse darüber verfügt, plant sie Maßnahmen, um diese Kenntnislücke zu schließen, und wenn nein, warum nicht?
Der Bundesregierung sind keine regelmäßigen Veröffentlichungen zu Steuer- und Abgabenquoten für verschiedene Haushaltstypen unter Berücksichtigung aller Steuer- und Abgabenarten bekannt. Die regelmäßige OECD-Veröffentlichung „Taxing Wages“ zur Belastung von Arbeitseinkommen zeigt, dass die Durchschnittsbelastung von Arbeitseinkommen im Verlauf der letzten 10 Jahre für Durchschnittsverdiener und Familien in Deutschland tendenziell gesunken und niedriger als noch im Jahr 2000 ist.
7. Wie bewertet die Bundesregierung die steuerliche Belastung von Vermögen in Deutschland im internationalen Vergleich, insbesondere im Vergleich zu Großbritannien und Belgien?
Vermögen wird je nach Art und Herkunft unterschiedlich besteuert. Es kann einer Vermögensteuer oder anderen vermögensbezogenen Steuern wie beispielsweise der Grundsteuer oder der Erbschaftsteuer unterliegen oder die Erträge aus Vermögen unterliegen der Einkommensteuer. Die Zahl der Länder, die eine Vermögensteuer erheben, ist in den letzten Jahrzehnten allerdings deutlich zurück gegangen.
International variiert die steuerliche Behandlung nicht nur durch die zuvor genannten Möglichkeiten der Besteuerung. Unterliegen Erträge aus Vermögen der Einkommensteuer, ergibt sich allein durch die diversen Steuersätze der Länder eine unterschiedliche steuerliche Belastung von Vermögen im internationalen Vergleich.
In Deutschland, Großbritannien und Belgien unterliegen vermögensbezogene Erträge wie Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie aus Vermietung und Verpachtung beispielsweise der Einkommensteuer. Informationen zur Einkommensbesteuerung in den Ländern können den Übersichten 7, 8 und 9 der Broschüre „Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich 2024“ entnommen werden (www.bundesfinanzministerium.de).
8. Hat die Bundesregierung Kenntnis von den in der Vorbemerkung der Fragestellenden zitierten aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen über den Unterschied bezüglich der effektiven Steuer- und Abgabenlast von durchschnittlichen Mittelstandsfamilien und Milliardärsfamilien in Deutschland, und wie beurteilt sie diese?
Für Deutschland liegt bislang keine vergleichbare wissenschaftlich fundierte und evidenzbasierte Einschätzung der tatsächlichen Steuerbelastung von Hochvermögenden vor.
Bei der Einkommensteuer erbringen die einkommensstärksten 10 Prozent der Steuerzahlenden einen Anteil von rund 57 Prozent, während die unteren 50 Prozent der Einkommensverteilung knapp 7 Prozent dazu beitragen. Bei den Verbrauchsteuern und bei den Sozialabgaben sieht die Belastungsverteilung aber anders aus. Hier liegt die Belastung kleiner und mittlerer Einkommen höher und die der höheren Einkommen niedriger.
Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 6 hingewiesen.
9. Welche gesetzlichen Gestaltungsmöglichkeiten und Privilegien (z. B. Kapitaleinkünfte, steuerfreie Veräußerungsgewinne, Holdingkonstruktionen, Mieteinkünfte) begünstigen diese Entwicklung aus Sicht der Bundesregierung, und was plant die Bundesregierung, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken?
10. Wie bewertet die Bundesregierung die Problematik, dass aufgrund von Gestaltungsmöglichkeiten von Unternehmen, Begünstigung von Kapitaleinkünften und Fehlen einer Vermögensteuer sehr vermögende Personen ihren effektiven Steuersatz senken können, während Durchschnittsverdienerinnen und Durchschnittsverdiener und Haushalte mit mittleren Vermögen diese Möglichkeiten nicht haben?
11. Hält die Bundesregierung die derzeitige Steuer- und Abgabenstruktur für geeignet, dem Leistungsfähigkeitsprinzip und dem gesellschaftlichen Ziel von sozialer Gerechtigkeit im Sinne des Grundgesetzes (GG) gerecht zu werden, und wie begründet sie diese Haltung konkret?
Die Fragen 9 bis 11 werden gemeinsam beantwortet.
Die Steuer- und Abgabenstruktur steht im Einklang mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Gemäß dem Leistungsfähigkeitsprinzip wird jeder nach Maßgabe seiner individuellen finanziellen Leistungsfähigkeit zur Finanzierung staatlicher Leistungen herangezogen. Das in einem Jahr erzielte Einkommen ist dabei grundsätzlich ein geeigneter Indikator für die Leistungsfähigkeit. Die progressive Einkommensbesteuerung in Deutschland sichert eine gerechte und sozial ausgewogene Steuerlastverteilung.
Nach dem Grundsatz der objektiven und subjektiven Leistungsfähigkeit werden zudem Aufwendungen, die durch die Erzielung der Einnahmen veranlasst sind, und Aufwendungen, die die subjektive Leistungsfähigkeit des Einzelnen schmälern, bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens berücksichtigt. Damit wird bestimmten Tatbeständen besonders Rechnung getragen. Dies umfasst u. a. Werbungskostenpauschbeträge, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen.
Bei Besteuerung von Kapitaleinkünften ist sowohl die Besteuerung auf Ebene der Unternehmen als auch auf Ebene der Anleger zu berücksichtigen. Dividenden werden auf Unternehmensebene derzeit noch mit 30 Prozent (Körperschaftssteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer) und auf Ebene der Anleger mit der Abgeltungsteuer von 25 Prozent besteuert. Mit dem Gesetz für ein steuerliches Investitionssofortprogramm zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland wurde eine schrittweise Absenkung der Körperschaftsteuersätze ab dem Jahr 2028 beschlossen. Die Gesamtbelastung von Dividenden und Veräußerungsgewinnen wird damit sinken.
12. Welche sozial- und wirtschaftspolitischen Risiken sowie Risiken für die Demokratie sieht die Bundesregierung in einer hohen Vermögenskonzentration?
Vermögensungleichheit ist gesellschaftspolitisch insbesondere dann problematisch, wenn Vermögen nicht das Resultat eigener Anstrengungen und Leistungen ist, etwa im Fall von Erbschaften und Schenkungen.
13. Welche Maßnahmen hält sie mittelfristig für erforderlich, um die Akzeptanz des Steuersystems und das Vertrauen in Staat und Demokratie zu sichern, insbesondere hinsichtlich vermögensbezogener Steuern?
Eine gerechte Besteuerung ist ein zentrales Anliegen der Bundesregierung, für das sie engagiert eintritt. Unter anderem arbeitet sie daher fortlaufend daran, durch gesetzliche Maßnahmen Steuerhinterziehung und ungerechtfertigter Steuervermeidung entgegenzuwirken. Diese Maßnahmen tragen nicht nur zur Aufdeckung und Bekämpfung von Steuerhinterziehung oder Steuervermeidung bei, sondern stellen insbesondere auch wichtige präventive Maßnahmen dar, sodass davon ausgegangen werden kann, dass durch bisherige sowie auch zukünftige gesetzliche Maßnahmen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung zunehmend erschwert bzw. verhindert werden.
Zudem ist ein Maßnahmenpaket zur steuerlichen Entlastung von Mehrarbeit geplant, das die Steuerlast auf Arbeit senken und so Anreize für ein höheres Arbeitsangebot schaffen soll.
14. Plant die Bundesregierung, das Vermögensteuergesetz im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995 entsprechend anzupassen, um die Vermögensteuer wieder zu erheben und so zu einem gerechteren Steuersystem beizutragen, und wenn nein, welche volkswirtschaftlichen, rechtlichen und steuerpolitischen Argumente führt die Bundesregierung konkret für die fortgesetzte Aussetzung der Vermögensteuer an?
15. Teilt die Bundesregierung die Äußerungen von Bundeskanzler Friedrich Merz im ARD-Sommerinterview vom 13. Juli 2025, dass „jede Form einer Vermögenssteuer gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verstößt“, insbesondere auch vor dem Hintergrund der expliziten Nennung der Vermögensteuer in Artikel 106 GG, und wenn ja, welche konkreten rechtlichen Argumente führt sie dafür an?
17. Hält die Bundesregierung den Verzicht auf eine regelmäßige Vermögensteuer vor dem Hintergrund der hohen Vermögensungleichheit in Deutschland weiterhin für sachgerecht?
18. Hält die Bundesregierung es für sachgerecht, trotz der breiten Akzeptanz für vermögensbezogene Steuern und der sich weiter zuspitzenden Haushaltslage (mit einem erwarteten Defizit in der Finanzplanung von 2027 bis 2029 in Höhe von 172 Mrd. Euro) eine Weiterentwicklung dieser Arten der Besteuerung nicht in Betracht zu ziehen?
Die Fragen 14, 15, 17 und 18 werden gemeinsam beantwortet.
Die Vermögensteuer auf der Grundlage des Vermögensteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. November 1990 (BGBl. I S. 2467), das zuletzt durch Artikel 107 des Gesetzes vom 29. Oktober 2001 (BGBl. I S. 2785) geändert worden ist, wird infolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995 (BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 1995 – 2 BvL 37/91 –, BStBl. II 1995, S. 655) seit dem 1. Januar 1997 nicht mehr erhoben. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Unvereinbarkeit der geprüften Rechtsnorm mit dem allgemeinen Gleichheitssatz festgestellt und dem Gesetzgeber eine Neuregelungsfrist bis zum 31. Dezember 1996 gesetzt, verbunden mit einer Weitergeltungsanordnung bis zu diesem Zeitpunkt. Eine Fortsetzung der Erhebung würde entsprechende Nachbesserungen des Vermögensteuergesetzes im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfordern. Zudem wäre zu bewerten, dass der damalige Verzicht auf die Erhebung der Vermögensteuer mit Anpassungen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie bei der Grunderwerbsteuer einherging, um Steuerausfälle der Länder zumindest teilweise zu kompensieren.
Der Koalitionsvertrag der die Bundesregierung tragenden Parteien enthält keine Pläne zur Wiedererhebung der Vermögensteuer.
16. Welche Schätzungen und Prognosen zu jährlichen Steuereinnahmen durch eine Vermögensteuer liegen der Bundesregierung vor, und wie bewertet sie deren Bedeutung für die öffentlichen Haushalte seit 1997 bzw. für eine zukünftig erneute Erhebung der Vermögensteuer?
Die Bundesregierung verfolgt bzw. verfügt über keine Schätzungen und Prognosen, wie sich das Aufkommen dieser Ländersteuer im Falle der fortlaufenden Erhebung nach dem Jahr 1996 entwickelt hätte bzw. zukünftig entwickeln würde.
19. Wie schätzt die Bundesregierung die Auswirkungen des beschlossenen „Gesetzes für ein steuerliches Investitionssofortprogramm zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland“ auf die Vermögensungleichheit in Deutschland ein, insbesondere mit Blick auf die durch Expertinnen und Experten geschätzte Verteilung der Entlastungswirkungen des Gesetzes?
Die Bundesregierung setzt auf eine ausgewogene Steuerpolitik, die sowohl die wirtschaftliche Dynamik als auch die Verteilungsgerechtigkeit fördert und dabei die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen im Blick hat.
Die beschlossenen Maßnahmen im Rahmen des „Steuerlichen Investitionssofortprogramms“ dürften sich positiv auf die gesamtwirtschaftliche Dynamik, das Investitionsklima sowie die Standortqualität Deutschlands auswirken.
20. Wie beurteilt die Bundesregierung den im Vergleich mit dem Rest der Bevölkerung deutlich höheren Anteil an Treibhausgasemissionen, den Milliardärinnen und Milliardäre verursachen, und wie beurteilt sie Forderungen nach einer Besteuerung von hohen Vermögen auch zur Finanzierung von Klimaschutz und Klimafolgeschäden?
Bereits jetzt tragen diejenigen, die einen höheren Anteil an Treibhausgasemissionen verursachen, einen größeren Anteil der damit verbundenen Kosten durch die verursachergerechte Ausgestaltung der Umweltbesteuerung und der CO2-Bepreisung.
21. Wie bewertet die Bundesregierung die u. a. von Spanien, Brasilien und Südafrika angestoßene erneute Initiative für eine international koordinierte Mindestbesteuerung von Hochvermögenden auf UN- und G20-Ebene im Hinblick auf die Bekämpfung von Ungleichheit und Klimawandel, und welche eigenen Unterstützungsbeiträge oder Maßnahmen plant sie hierzu konkret, etwa über bilaterale Kooperationen, aktive Einbringung in entsprechende UN- oder G20-Gremien oder nationale Gesetzesinitiativen?
Mit der unter brasilianischer G20-Präsidentschaft verabschiedeten gemeinsamen Erklärung der Finanzminister („G20 Ministerial Declaration on International Taxation Cooperation“) sowie dem Kommuniqué der G20 Finanzminister und Notenbankgouverneure vom 24. Oktober 2024 unterstützt die Bundesregierung eine engere internationale Zusammenarbeit und Maßnahmen, um eine effektive Besteuerung von sehr wohlhabenden Privatpersonen weltweit sicherzustellen. Die Bundesregierung beobachtet kontinuierlich die politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen sowie gesellschaftspolitischen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Besteuerung von hohen Einkommen und Vermögen und steht hierzu mit allen Beteiligten im steten Austausch. Die dazu tätigen internationalen Gremien, insbesondere die OECD, werden auf Fachebene konstruktiv begleitet.
22. Wie oft und wann haben sich der Bundeskanzler, die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre des Bundeskanzleramts, der Bundesminister der Finanzen sowie die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre des Bundesministeriums der Finanzen mit der Stiftung Familienunternehmen bzw. Stiftung Familienunternehmen und Politik sowie Die Familienunternehmer bzw. Die jungen Unternehmer im Zeitraum von 2020 bis 2025 getroffen, und was waren Anlass und Inhalt dieser Gespräche?
Eine Verpflichtung zur Erfassung sämtlicher geführter Gespräche bzw. deren Ergebnisse – einschließlich Telefonate und elektronischer Kommunikation – besteht nicht, und eine solche umfassende Dokumentation wurde auch nicht durchgeführt (siehe dazu die Vorbemerkung der Bundesregierung zu der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/1174). Zudem werden Gesprächsinhalte nicht protokolliert. Die nachfolgenden Ausführungen bzw. aufgeführten Angaben erfolgen auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse sowie vorhandener Unterlagen und Aufzeichnungen. Eine Vollständigkeit der Angaben kann somit nicht sichergestellt werden.
Datum | Vertreter/Vertreterin der Bundesregierung | Teilnehmer | Anlass/Inhalt |
---|---|---|---|
22.04.2021 | BK‘in a. D. Dr. Merkel | Die Familienunternehmer | Aufgezeichnete Videorede vom 21.04.2021 bei den „Familienunternehmer-Tagen 2021“ |
01.07.2022 | StS a. D. Dr. Kukies | Stiftung Familienunternehmen und Politik | Rede zum „Tag des deutschen Familienunternehmens 2022“ |
11.10.2023 | StS a. D. Dr. Kukies | Die Familienunternehmer | Gespräch mit neuer Präsidentin Marie-Christine Ostermann |
16.11.2023 | StS a. D. Dr. Kukies | Die Jungen Unternehmer | Rede, Interview beim Gipfel der Jungen Unternehmer |
25.04.2024 | BK a. D. Scholz | Die Familienunternehmer | Rede, moderiertes Gespräch zu Fragen aus dem Publikum bei den „Familienunternehmer-Tagen 2024“ |
16.05.2025 | PSt Michael Schrodi | u. A: BM a. D. Kukies BM für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes Thorsten Frei, Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen und Politik Dr. David Deißner Stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der Festo SE & Co. KG, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik Dr. Ulrich Stoll | Die finanzpolitische Agenda des Bundesfinanzministeriums |
06.06.2025 | BK Merz | Die Familienunternehmer | Rede bei den „Familienunternehmer-Tagen 2025“ |
23. Inwiefern sieht die Bundesregierung die Stiftung Familienunternehmen bzw. die Stiftung Familienunternehmen und Politik als Organisationen an, die die Breite der familiengeführten Unternehmen in Deutschland vertreten, vor dem Hintergrund, dass die Stiftung von lediglich 600 der 3,4 Millionen Familienunternehmen in Deutschland getragen werden und Die Familienunternehmer lediglich 6 500 Mitgliedsunternehmen aufweisen?
Die Bundesregierung strebt an, die Interessen aller Wirtschaftsakteure im Meinungsbildungsprozess bestmöglich zu berücksichtigen. Dies gilt nicht nur für Familienunternehmen, sondern für alle Unternehmen, die dadurch die Möglichkeit haben, mit ihrer Expertise und Netzwerke zur politischen Diskussion und zur Gestaltung von Rahmenbedingungen beizutragen.
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