12/01/2018
Dr. Eberhard Sasse

Bürokratie und Wirtschaftswachstum – das ist das Verhältnis von Bremse zu Motor

Wer sich mit der Frage von Bürokratiekosten befasst, stellt sich nicht die Frage, ob Bürokratie etwas kosten darf. Sondern ob es Bürokratie überhaupt braucht. Die wörtliche Übersetzung „Herrschaft der Verwaltung“ jedenfalls löst keineswegs Wohlgefühl aus, sondern eher Beklemmung. Denn man fürchtet Stillstand: „Bitte ziehen Sie eine Nummer.“

Nun verdankt unser Land – und damit auch unsere Wirtschaft – einen erklecklichen Anteil von Erfolg und Wohlstand der Tatsache, dass unsere Verwaltung auf den verschiedensten Ebenen wohl geordnet, gut geregelt, ja: überhaupt existent ist. Gerade mit Blick auf Länder und Volkswirtschaften, denen es an derlei stabilen Verhältnissen mangelt, wollen wir daher die Bürokratie in ihrem Wert nicht unterschätzen.

Ein Argument für ihre Alimentation oder gar für eine Unterwerfung unter ihre Herrschaft ist dies gleichwohl nicht.

Vielmehr müssen wir davon ausgehen, dass die Herrschaft der Verwaltung die Mittel frisst, die bei der Gestaltung im Unternehmen fehlen. Bürokratie und Wirtschaftswachstum – das ist das Verhältnis von Bremse zu Motor.

Denn wir sprechen hier von Energie, die von den Beherrschten aufzuwenden ist, um a) den Wünschen und Befehlen der Verwaltung Genüge zu tun und b) die dort Beschäftigten mit Lohn und Brot zu versehen. Als guter Staatsbürger ist der Ehrbare Kaufmann durchaus bereit, sein Scherflein zum durchorganisierten Gemeinwesen beizutragen – materiell genauso wie beim Erfüllen von Vorschriften und beim Ausfüllen von Formularen. Er wird allerdings darauf achten, dass ihm auf diesem Weg nicht zu viel Substanz entzogen wird, um sein eigenes Geschäft voranzubringen. Das nämlich ist Gegenstand seines unternehmerischen Daseins, nicht die Finanzierung von Behörden.

Daher darf jeder wirtschaftlich denkende und handelnde Mensch mit Fug und Recht eine Forderung erheben: dass die Verwaltung wenigstens effizient, kostensparend und mit modernen Mitteln arbeite. Wie wir am eigenen Leibe und bei einfachem Hinsehen erfahren, verhält es sich jedoch anders. Das wird vor allem beim digitalen Defizit der Bürokratie sichtbar:

  • Eine digitale öffentliche Verwaltung, das sogenannte E-Government, ist seit Jahren in aller Munde, im wirklichen Leben aber allenfalls rudimentär vorhanden. Die digitale öffentliche Verwaltung in Deutschland liegt weit abgeschlagen hinter der anderer Staaten; aktuell auf dem 20. Platz im EU-weiten Vergleich. Berechnungen zeigen, dass medienbruchfreie digitale Prozesse Unternehmen 54 Prozent der Kosten für Interaktionen mit Behörden ersparen könnten – dies entspricht jährlich einer Milliarde Euro.
  • Bei der anstehenden Grundsteuerreform droht eine komplizierte, streitanfällige, verwaltungs- und auch datenintensive Erfassung von Grundstücken und Gebäuden. Mit Blick auf die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Fristen sollten die Neuregelungen aber praktikabel, schnell, ohne weiteren Bürokratieaufbau und einfach umsetzbar sein. Auch hier heißt es, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und auf bereits digital vorliegende Unterlagen, zum Beispiel bei den Bau- und Grundbuchämtern, zuzugreifen. Davon ist bisher nichts zu hören oder zu sehen.

Daher würde es sich in der Gesamtbilanz durchaus bezahlt machen, wenn die Verwaltung ein größeres Kostenbewusstsein entwickelte und sich bei ihrer Arbeit des technischen Fortschritts im gleichen Umfang bediente, wie dies in der Wirtschaft üblich ist. Die Digitalisierung bietet hier eine bemerkenswerte Chance. Denn ebenso erstaunlich wie erfreulich ist – wenigstens theoretisch – die kräftige Hebelwirkung, die aus einer effizienteren und schlankeren Bürokratie entsteht:

  • Ließe sich etwa der Zeitaufwand um zehn Prozent senken, der in Deutschland anfällt, um hoheitliche Anforderungen zu erfüllen, brächte das dem Bruttoinlandsprodukt einen Schub um mehr als neun Milliarden Euro.
  • Ließe sich bei den nötigen amtlichen Schritten zu einer Unternehmensgründung nur jeder zehnte dieser Schritte vermeiden, führte das zu einer Zunahme der Gründungen um 3,76 Prozent.

Nun ist es nicht so, dass die politisch Verantwortlichen in Deutschland die schädlichen Nebenwirkungen von Bürokratie nicht erkannt hätten. Nein, sie widmen sich aktiv und mit Hilfe des Normenkontrollrats und einem eigenen Bürokratiekosten-Index der Aufgabe, hier Abhilfe zu schaffen. Allerdings: „Seit 2006 konnten die Bürokratiekosten um zwölf Milliarden Euro verringert werden – infolge neuer Gesetze sind den Unternehmen in Deutschland seit 2011 allerdings Mehrkosten von insgesamt zehn Milliarden Euro entstanden“, stellte das IW Köln 2016 fest. Da zeigt sich dann doch, dass der Herrschaftsanspruch der Verwaltung ungebrochen ist. Das Gute daran: Wenigstens ist der Luxus, sich eine teure Bürokratie zu leisten, nicht vergnügungssteuerpflichtig. Zum Lachen sind die Bürokratiekosten schon lange nicht mehr.

Die Dr. Sasse AG ist ein familiengeführtes, international tätiges Unternehmen. 1976 von Dr. Eberhard Sasse als Student in München gegründet, zählt das Unternehmen heute nach eigenen Angaben zu den Top-25-Anbietern von integrierten Facility-Management-Services in Deutschland. Die Auftraggeber entstammen Branchen wie zum Beispiel Immobilienwirtschaft, Industrie, Handel, Healthcare sowie auch Luftverkehrs- und Transportwesen. Im Jahr 2018 werden 6.100 Mitarbeiter einen Gruppenumsatz von rund 200 Millionen Euro in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Großbritannien und Jordanien für die Dr. Sasse Unternehmensgruppe erwirtschaften.